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Reziprozität – Warum wir so schlecht Nein sagen können

geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

In unserem Alltag halten wir Menschen uns an unterschiedliche soziale Regeln. Das macht in den allermeisten Fällen Sinn, schließlich wollen wir ein freundliches Miteinander und wir wollen vor allem auch Sicherheit im Umgang mit anderen. Manche Regeln allerdings sind für andere ausnutzbar bzw. wir selbst verlieren einen gesunden Bezug zu diesen notwendigen Prinzipien.

Reziprozität ist eine dieser Regeln. Sie bezeichnet die Gegenseitigkeit im sozialen Miteinander. Anders gesagt: „wie du mir, so ich dir“.
Ein typisches Beispiel, das wohl jeder kennt: Freunden beim Umzug helfen. Haben uns Freunde beim Umzug geholfen, werden sie wahrscheinlich erwarten, dass wir ihnen auch helfen. Und umgekehrt: helfe ich Freunden, gehe ich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit davon aus, dass diese sich revanchieren werden. Gießen wir beim Nachbarn während des Urlaubs die Blumen, werden wir vermutlich auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit erwarten, dass er unsere Pflanzen betreut.

Definition

Reziprozität = gegenseitige Wechselseitigkeit
vereinfacht: „Tit for tat“, „Dit for dat“, wir du mir so ich dir, „eine Hand wäscht die andere“

Reziprozität im Alltag

Die Norm der Reziprozität oder gegenseitigen Wechselseitigkeit ist also ein sehr starkes soziales Prinzip. So stark, dass auch in der Werbung und im Marketing gerne und oft darauf zugegriffen wird. Beispielsweise wenn wir kostenlose Proben bekommen. Wird uns im Supermarkt eine kostenlose Probe angeboten, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Produkt kaufen. Wenn jemand anderes uns etwas Wertvolles schenkt oder etwas für uns tut, haben wir quasi ein eingebautes Schuldgefühl, dass uns dazu verleitet etwas zurückzugeben. Oder lasst ihr euch jedes Jahr zu Weihnachten reich beschenken und habt selbst aber keine Geschenke besorgt? Wir würden es ebenso seltsam finden, wenn jemand zwar jedes Jahr ein Weihnachtsgeschenk von uns erhält, aber uns nie etwas schenkt.

Diese soziale Reziprozität ist fest in uns verankert und wie jede soziale Norm hat sie auch ihre Berechtigung. Schwierig wird es dann, wenn wir uns ausnutzen lassen. Dazu gehört nicht nur, dass wir vielleicht Dinge kaufen, die wir gar nicht benötigen, sondern dass wir auch Dinge tun, die wir eigentlich gar nicht wollen. Es ist schwierig dem Arbeitskollegen, der uns heute Morgen so nett einen Kaffee mitgebracht hat, trotzdem mit einem „Nein“ zu antworten, wenn er uns zusätzliche Arbeit aufbürden möchte. Oder eine Bekannte, die uns nicht guttut, aber immer zum Kaffee einlädt, nicht mehr zurück einzuladen. Manche Kollegen, Nachbarn, Freunde oder Verwandte nutzen das soziale Muster auch regelrecht aus. Und dann darfst Du gerne Nein sagen!

Schwierig wird es auch, wenn Du gerne hilfst, weil es Dein Selbstwert erhöht. Das Helfersyndrom wäre die ausufernde und krankhafte Version davon. Aber in Ansätzen schlummert das wahrscheinlich in jedem von uns, denn wir mögen es gebraucht zu werden. Über das Thema „Selbstwertsteigerung durch Hilfsbereitschaft“ werde ich zu einem späteren Zeitpunkt noch mal einen Beitrag schreiben, denn es hat dann eigentlich wenig mit Wechselseitigkeit zu tun, sondern wird schnell recht einseitig.

Tipps zum „Nein sagen“

Kommst du in Situationen, in denen du das Gefühl hast dich revanchieren zu müssen, aber es in Wirklichkeit nicht möchtest, habe ich hier ein paar Tipps für dich:

1. Bewusst machen – Erinnere dich an diesen Artikel zurück (Smiley) und erinnere dich daran, dass es normal ist sich so zu fühlen, dass es die Norm der Reziprozität gibt und dass manche sie ausnutzen.

2. Ablehnen – Du musst Geschenke, Angebote oder Einladungen nicht annehmen. Du kannst dafür eine Erklärung abgeben, aber du musst es nicht. Es reicht: „Nein, danke“.

3. Durchbrechen – Ob jemand dir etwas gibt, ist seine Entscheidung. Ob du etwas zurückgibst ist aber deine. Du musst nicht jeden Gefallen erwidern! Insbesondere dann, wenn du gestresst bist, dich unwohl fühlst oder in irgendeiner Form deine Grenzen überschritten werden, dann ist es völlig ok auch mal beim nächsten Umzug nicht dabei zu sein. Echte Freunde verstehen das.

4. Nicht ärgern! – Hast Du doch mal wieder zu etwas „Ja“ gesagt, wozu du eigentlich „Nein“ sagen wolltest, ärger dich nicht, sondern übe weiter. Du hast das Recht für dich selbst zu sorgen, aber manchmal fällt es uns schwer das auch umzusetzen.

5. Nicht ärgern II – Andere haben dasselbe Recht wie du. Wenn jemand sich also nicht wie erwartet revanchiert, versuche nicht gekränkt oder enttäuscht zu sein. 


Ich freue mich über Kommentare. Erzähl mir doch von Deinen Erfahrungen! Fällt es Dir leicht oder schwer „Nein“ zu sagen? War Dir die Norm der Reziprozität bekannt?
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43 Jahre alt, norddeutsch, verheiratet. Dem inneren Kompass folgend, lebend aus vollem Herzen.

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